Nehme ich Deutschland jemanden weg?
- Viktoria Mazurs-Sawall
- 22. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Warum ich das Mandat erst ablehnen wollte und dann doch angenommen habe.
Als ich das Mandat vorgeschlagen bekam, Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland zu begleiten, die nach Österreich auswandern wollen, war mein erster Impuls total emotional: Nein!
Nicht, weil es mich nicht interessiert hätte, sondern, weil ich sofort spürte, dass hier mehr dahinter steckt als Jobvermittlung. Es hat mich getriggert.
Denn wenn jemand das Land verlässt, geht es nicht nur um Karriere. Es geht um Leben, Familie, Sinn und Identität. Es erinnerte mich an meine eigenen Einwanderungsgeschichte nach Deutschland.
Ich hatte zunächst ein schlechtes Gewissen, fast so, als würde ich Deutschland etwas „wegnehmen“, ehe ich überhaupt angefangen habe. Ärzte, die hier in Deutschland ebenfalls fehlen, sollen woanders neu anfangen? Ich war innerlich in einer Disbalance.
Vermittlung ist nicht nur technisch und transaktional: Profil → Matching → Abschluss → Provision. Vermittlung ist für mich primär ein Begleiten bei Lebensentscheidungen und Verbinden mit Neuem.

Also frage ich mich, wie könnte dieses Mandat nicht nur eine Besetzung sein, sonder eine Übergangsbegleitung mit Verbindung, Sinn, Seele und Kultur?
Ich spürte, dass ich in mich gehen musste, um Klarheit und notwendige Balance zu finden. Und zack war ich wieder tief im Denken und Fühlen.
Warum bin ich überhaupt in der Vermittlung und warum möchte ich verbinden?
Als hochsensible Empathin spürte die emotionale Last einer solchen Entscheidung eines potentiellen Arztes. Ich sah die möglichen familiären, beruflichen, emotionalen, bürokratischen Konsequenzen.
Diese volle Dimension wahrzunehmen ist anstrengend. Also muss ich wie so oft als Empathin eine Grenze ziehen, da ansonsten Nachteile des zu starken Fühlens zum Vorschein treten.
Also beschloss ich:
Den Raum für die Entscheidung öffnen, kann ich verantworten, das Schicksal des anderen zu übernehmen nicht!
Vermittlung ist für mich nicht nur Geschäft, sondern immer eine Verbindung auf Zeit. Ich will verstehen, was Menschen suchen und warum. Ich will helfen, dass sie sich in ihrer Entscheidung gesehen und sicher fühlen bei der Begleitung.
Oftmals fühle ich mich eher wie eine Philosophin statt wie eine Rekruiterin. Ich muss mit Sinn und Richtung sowie Beziehung arbeiten, ansonsten rebelliert alles in mir.
Mir wurde im Laufe der Tage klar, dass ich niemandem etwas wegnehme. Ich begleite Menschen dorthin, wo sie ihre Arbeit leben können, ohne innerlich zu zerbrechen und das ganz auf deren freiwilliger Basis. Diese Haltung empfinde ich als ästhetisch und menschlich und stärkend. Jaja, es ist so oft das Mindset, das ein jener erst ändern muss, um Vollgas geben zu können.
Dass aus Deutschland aktuell viel Intelligenz auswandert, stimmt mich zwar sehr traurig und ich kann nur schauen, inwiefern ich Deutschland zu einem Ort mitgestalten kann, aus dem niemand auswandern möchte. Die Lage jetzt ist nun aber leider wie sie ist.
Darum habe ich das Mandat schließlich angenommen. Weil es nicht darum geht, Grenzen zu ziehen, sondern Brücken zu bauen – zwischen Ländern, Werten und Lebenswegen.
Wenn Sie Ärztinnen oder Ärzte kennen, die darüber nachdenken, nach Österreich zu gehen, dann leiten diesen Beitrag gern weiter.Vielleicht entsteht daraus nicht nur ein Wechsel, sondern eine neue Form von Verbindung.
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